1. Welche Aufgabenbereiche der Verwaltung unterzieht der Senat nach Jahrzehnten der „Staatslastigkeit“ Berlins einer durchgreifenden Staatsaufgabenkritik, Deregulierung und Neuordnung im Rahmen der Neuordnungsagenda 2006? Welche Ergebnisse und vor allem Einsparungen wurden erreicht und werden angestrebt und was hat insoweit das Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz (VGG) beigetragen?
2. Wie viele Steuerungsgremien begleiten den Verwaltungsreformprozess und wie viele MitarbeiterInnen sind auf Haupt- und Bezirksverwaltungsebene in den „Steuerungsdiensten“ (§ 2 Abs. 4 VGG) tätig? Haben sich diese Einrichtungen zu einer „Reformbürokratie“ entwickelt, die sich mit der Umsetzung des VGG beschäftigt?
3. Wie und mit welchen Ergebnissen funktionieren die betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumente (§ 2 Abs. 4 VGG) unter den Bedingungen kameralistischer Haushaltswirtschaft, die keinen Abgleich zwischen Aufwand und Ertrag kennt?
4. Welchen Sinn haben Ziel- und Servicevereinbarungen in Verwaltungsbereichen, die ministerielle Aufgaben erledigen oder deren Aufgabenvolumen sich nicht oder nur ungenau vorherbestimmen lässt (z.B. bei Antragsabhängigkeit) und wie hoch ist der Aufwand für die Vorbereitung und Ergebniskontrolle? Wie viele Zielvereinbarungen sollten auf der Senats- und Bezirksebene und in den nachgeordneten Behörden abgeschlossen werden und wie viele wurden tatsächlich abgeschlossen? Wie beurteilt der Senat die Zusammenhänge auch vor dem Hintergrund des Berichts des Landesrechnungshofs über den Stand der Umsetzung des VGG in den Bezirken vom 12. Februar 2004?
5. Nach welchen Kriterien, in welchem Umfang und mit welchen Ergebnissen wurden bislang die jährlichen Vergleiche nach § 4 VGG durchgeführt? Wie sieht es insoweit auf Bezirksebene (Bezirksvergleich) und auf Hauptverwaltungsebene (Stadtstaatenvergleich) aus?
6. Was trägt die Qualitätssicherung nach § 7 VGG zu der ohnehin bestehenden Verpflichtung der Behörden bei, fachlich qualifiziert, zügig und nach Recht und Gesetz zu handeln (bitte am Beispiel der Baugenehmigung und der Bebauungsplanung erläutern)? Was haben insoweit die „Kundenbefragungen“ ergeben? Wie steht der Senat zu den diesbezüglichen Aussagen des Landesrechnungshofs und was gedenkt er insoweit zu veranlassen?
7. In welchem Umfang und mit welchen Ergebnissen wurden im Personalmanagement bislang
a) Führungsaufgaben gemäß § 5 Absatz 3 VGG befristet übertragen und danach erneut ausgeschrieben bzw. übertragen?
b) Verwaltungshierarchien vor allem durch Abbau der Verwaltungsmittelbaus abgeflacht?
c) „Rotationen“ praktiziert?
Wie steht der Senat zu den diesbezüglichen Aussagen des Landesrechnungshofs und was gedenkt er insoweit zu veranlassen?
8. Wie hoch ist der durch die Kosten- und Leist-ungsrechnung (KLR) mit ihren Produktkatalogen und unzähligen Buchungsvorgängen verursachte Verwaltungsaufwand ? Trifft es zu, dass die Produktkataloge in einem Umfang eingeschmolzen worden sind, der die beabsichtigte Kostentransparenz einschränkt? Mit welchem Ergebnis wurde die KLR hinsichtlich Kosten/Nutzen überprüft?
9. Hat vor dem Hintergrund der einschlägigen Bestimmungen der LHO das VGG den bedarfsgerechten und haushaltsentlastenden Personaleinsatz und -austausch zwischen den Behörden und innerhalb derselben erleichtert? Was hat insoweit die Einrichtung der LUV’s bewirkt?
10. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Neufassung des § 37 Bezirksverwaltungsgesetz zu einer kaum noch überschaubaren „Vielfalt“ des Verwaltungsaufbaus in den Bezirken geführt hat? Inwieweit verträgt sich diese mit § 3 Abs. 1 VGG?
11. Wurden Behörden und Dienststellen an den Belangen der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft ausgerichtet (§ 3 Abs. 1 VGG)? In welchen Fällen, durch welche Maßnahmen und mit welchem Erfolg ist dies geschehen?
12. Inwieweit hat die Aufgabenverlagerung in die Bezirke die Verwaltungskosten messbar verringert? Wie hoch ist demgegenüber der (Mehr-) Aufwand infolge der Wahrnehmung gesamtstädtischer Belange und des Eingriffsrechts (z.B. in der Bauleit- und Freiraumplanung nach der KLR)?
Begründung:
Staatsaufgabenkritik, Deregulierung und Verwaltungsreform bilden eine Einheit und bleiben in Anbetracht der Probleme des Standortes Berlin und der Haushaltslage der Stadt ein zentrales Aufgabenfeld der Landespolitik. In allen drei Bereichen sind wirklich durchgreifende Erfolge bislang nicht zu erkennen. Zwar ist die Zahl der Mitarbeiter im Berliner öffentlichen Dienst gesunken und auch die Personalausgaben sind rückläufig, jedoch ist dies wohl weniger auf gezieltes Handeln der Politik als vielmehr auf die übliche Personalfluktuation zurückzuführen. Jedenfalls ist Berlin von einer effizienten, übersichtlichen und kostengünstig arbeitenden Verwaltung noch weit entfernt. Der „Bericht des Senats über die Umsetzung des Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetzes (VGG) gemäß § 20 VGG“ vom 11. Dezember 2001 (Drucksache 15/71) wirft denn auch mehr Fragen auf, als er beantwortet. Auch der aktuelle Bericht des Landesrechnungshofs über den Stand der Umsetzung des VGG in den Bezirken vom 12. Februar 2004 lässt in Sachen Verwaltungsreform erhebliche Mängel erkennen.
Der Verwaltungsreformprozess scheint, kaum dass er begonnen hat, schon wieder zum Erliegen gekommen zu sein. Es sieht so aus, dass dem Senat der Prozess entglitten ist, weil er ihn nicht mit klaren, koordinierten und verbindlichen politischen Vorgaben steuert und weil Teile der Bürokratie die Verwaltungsreform für sich als eine neue „Verwaltungsaufgabe“ entdeckt hat, mit der sie die Reform in der Art eines ‚perpetuum mobile’ unterläuft. Es wird also - auch im Hinblick auf den Nachweis von Eigenanstrengungen zur Haushaltssanierung vor dem Bundesverfassungsgericht - höchste Zeit, dass das Thema jetzt im parlamentarischen Raum kritisch beleuchtet wird.
Berlin, den 25. Mai 2004
Dr. Lindner Krestel Ritzmann
und die übrigen Mitglieder der Fraktion der FDP
Ausschuss-Kennung
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